Als ich im theologischen Seminar war…. damals als ich stolz war, dass mein Computer eine ganze 4 MB RAM hatte! … bin ich manchen älteren Kollegen und Professoren begegnet, die der Meinung waren, dass die Beziehung zwischen Pastoren und ihren Gemeindegliedern nicht zu eng sein darf. Als Pastor soll man Abstand haben. Er oder sie soll seine Freunde außerhalb der Gemeinde haben. Es ist besser so, sagten manche
ältere Kollegen, sonst könnte es kompliziert werden. Andere Gemeindeglieder könnten z.B. meinen, dass der Pastor Favoriten in der Gemeinde hat.
Ich habe diese Mentalität nie so richtig verstanden. Aus mehreren Gründen, aber vor allem, weil ich ganz andere Bilder der Beziehung zwischen Pastor und Gemeinde in der Bibel finde. Dies wurde mir heute wieder deutlich, als ich Paulus’ Brief an die Gemeinde in Thessaloniki las (1. Thess. 2,8-9). Paulus, ein Jude, der zum Glauben an Jesus als dem lang ersehnten Messias gekommen ist, hat in Thessaloniki von diesem gekreuzigten Messias gepredigt. Einige Juden, zusammen mit anderen Nichtjuden haben sich Paulus und den christlichen Glauben angeschlossen und eine christliche Gemeinde wurde gegründet. Andere Juden waren aber von Paulus und seiner Botschaft gar nicht begeistert. Sie griffen die Christen an und Paulus musste von der Stadt bei Nacht fliehen, damit Ruhe wieder einkehrt (siehe Apg. 17).
Paulus aber hatte diese Christen in Thessaloniki in sein Herz geschlossen. Er dachte immer an sie und schrieb ihnen auch Briefe – zwei davon haben wir in der Bibel im Neuen Testament (1. & 2. Thess.) In 1. Thess. Kapitel 2, Vers 8 bekomme ich ein Bild von einem Pastor, der nicht daran interessiert ist, Abstand zu seinen Gemeindegliedern zu halten. Im Gegenteil – hier lese ich von “Herzenslust” (ein tolles Wort, finde ich, aus der Lutherbibel) des Paulus für seine Leute. Ich lese wie er sie so sehr lieb gewonnen hat. Ich lese wie Paulus nicht nur das Evangelium (buchstäblich “Gute Nachricht” von Gottes Liebe in Jesus Christus) mit den Thessalonikern teilt, sondern auch sein ganzes Leben, sein Herz! Das griechische Wort (Das NT wurde in griechisch geschrieben), das hier benutzt wird, ist “Psyche” und kann als “Seele” oder “Herz” übersetzt werden. Dadurch wird ganz deutlich – Paulus teilte sein Leben mit den Leuten, weil er eine große Liebe für sie hatte. Er wusste, was für Probleme und Schwierigkeiten sie als neue Christen hatten, und wie gefährlich es für sie teilweise war. Das war ihm nicht egal. Diese Menschen waren ihm nicht egal. Er hatte Herzenslust an ihnen. Nichts mit Distanz halten, sonst könnte es kompliziert werden!
Meine Dienstphilosophie als Pastor war immer – sei du selber. Ja, du bist Pastor, hast ein Amt, aber in erster Linie bist du Christ, ein Glaubensbruder. Ich habe versucht, nicht nur das Evangelium mit meinen Mitmenschen zu teilen, sondern auch mein Leben. Manchmal ist es mir auch gelungen. Meine Frau und ich haben gern unsere Freunde in der Gemeinde gehabt, so wie alle andere in der Gemeinde es tun. Wir haben gern zu uns eingeladen und waren gern zu Gast bei anderen. Wir sind fast jedes Jahr mit der Gemeinde in Ski-Urlaub gefahren, und auch im Sommer sind wir manchmal mit Familien aus der Gemeinde in Urlaub gefahren. Wir haben (fast 😉 immer “Herzenslust” an unsere Gemeinde gehabt, auch bei den Zeiten, wo wir uns zurückgezogen haben, um als Familie allein zu sein.
Paulus’ Herzenslust ging aber noch einen Schritt weiter als meine. In Vers 9 lesen wir wie Paulus Tag und Nacht gearbeitet hat, damit er der Gemeinde keine Last wird. Das heißt, Paulus war ehrenamtlich unter ihnen. Er hatte einen Job, einen Beruf als Zeltmacher. So hat er sein Geld verdient, damit er keine finanzielle Belastung für die Gemeinde wäre! Deswegen arbeitete er Tag und Nacht. Was für eine Herzenslust! Was für eine Liebe! Ich war in meiner Gemeinde als Angestellter tätig, unterstützt von den Spenden der Kirchenglieder. In diesem Sinne war ich bestimmt eine “Last”. Hätte ich ohne Gehalt eine genauso große Herzenslust an meine Gemeinde?! Mit INSPIRE will ich es versuchen 🙂
Ich glaube unsere Kirche wird in Zukunft solche Dienst-Modelle wieder überlegen müssen. Ich glaube unsere Welt braucht eine Kirche mit Hirten wie Paulus. Motiviert von der Liebe; mit Herzenslust an die Menschen; und bereit, ihre “Psyche” (Herz / Seele) mit ihnen zu teilen. Ja, mit Gottes Hilfe.
Blessings,
Barry
P.S. Schon vor der offiziellen Eröffnung von INSPIRE könnt ihr uns besuchen. Am Samstag 06. Dez. zwischen 11 und 21 Uhr sind wir für den Event-und Kleinkunstmarkt am Brühl offen. Es wird eine Menge auf dem Brühl los. Bei uns könnt ihr einen Kaffee / Tee und Stück Kuchen bekommen. Für die Kinder gibt es Laterne-Basteln. Herzliche Einladung!
Vielen Dank für den Artikel. Mir geht es ganz ähnlich, dass ich gar nicht auf Abstand mit einer kontinuierlichen Distanz-Mentalität leben kann. Vielleicht geht das für andere, aber mir entspricht es nicht. Das bedeutet nicht, dass ich in manchen Beziehungen Nähe und Distanz sorgfältig austarieren muss und auch selbst für mich (und vor allem für die Familie) Rückzugsräume brauche, aber dennoch kann ich alles hier Geschriebene hier mit ganzen Herzen unterschreiben. Schön, dass ich Ihre Seite entdeckt habe. Vielleicht begegnen wir uns einmal irgendwo irgendwann.
Danke Simon. Würde mich freuen, wenn wir uns begegnen. Allerdings ist Nordhorn für mich nicht gleich um die Ecke (Google is a wonderful thing 😉 Blessings, brother.
Hallo Barry,
der Gedanke die Kirche in Zukunft mehr mit Ehrenamt führen zu müssen beschäftigt mich schon eine ganze Weile. Pastor Rüdiger sprach mal in einer seine berühmten Predigten von “der Kirche mir Schwund”, immer weniger Mitglieder können es vielleicht finanziell nicht mehr stemmen und die Kirche ist auf mehr Ehrenamt angewiesen.
Wir haben ja nun über ein Jahr ohne “hauptamtlichen” erlebt, ja es hat funktioniert…., aber subkektiv sind es noch weniger Leute im Gottesdienst. Der Gedanke, dass es nur noch so geht macht mir auch ein wenig Angst. Vielleicht müssen wir es alle zusammen lernen…
P.S. Vielen Dank für die schönen Abend gestern in der FK
Heiko
Hallo Heiko,
ja, gestern Abend bei euch in der Friedenskirche hat mir Spaß gemacht. Du hast Recht – es ist gar nicht so leicht, sich eine Zukunft mit weniger Hauptamtlichen in der Kirche vorzustellen. Das verlangt ein großes Umdenken von uns, und jede Veränderung fällt uns meistens schwer. Trotzdem glaube ich, dass wir diesen Weg gehen sollen (nicht nur müssen!). Schritt für Schritt aber – eine ‘friedliche’ Revolution 😉